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Bericht Nr. 10:

9. April 2013, Position: 35°´01´ N; 43°14` W, Bordzeit 12:00 Uhr (UTC - 3) Heimatzeit 17:00 Uhr (UTC + 2), TWS 19kn, SOG 8,5, COG 70°

Jeder Mensch weiß, dass Schiffe keine Seele haben. Jeder Mensch weiß aber
auch, dass Segler dies ganz anders sehen. Nichtseglern fällt gelegentlich
auch auf,  dass Segler ihre Schiffe immer mit "sie" anreden - also etwa "die
Haspa-Hamburg" oder "sie läuft eine gute Höhe".
So können wir davon berichten, dass unsere Haspa-Hamburg uns schon den einen oder anderen Einblick in ihre Seele gegeben hat. Wenn wir nun davon erzählen wollen, wie sich unsere Haspa-Hamburg so "benimmt", dann werden wir und gegebenenfalls auch darüber auslassen, dass sie gelegentlich "rumzickt".
Wer allerdings hierin einen direkten Zusammenhang der Seele eines Schiffes
und ihres Bezugs zur Weiblichkeit sieht, dem sei ein chauvinistischer Hauch
in seiner Gesinnung, mindestens aber eine gewisse Einfältigkeit mit der
Neigung zum vermeintlich Naheliegenden zu unterstellen. Denn glauben Sie
uns, auch Jungs können rumzicken. Und eins ist so oder so in allen Fällen
klar, Schuld ist..... die Welle, der Wind, die anderen oder einfach der
Auszubildende - aber nie... "sie".
Die gute Seite an "ihr" ist jedoch die hohe Bereitschaft zur Versöhnung und
als Zeichen zur Einsicht ihr Potential, allen Seglern an Bord auch in
anstrengender See ein sicheres Gefühl zu geben und in guten Zeiten zu
Glücksmomenten zu verhelfen, die sich in Form von ungeahnten
Höchstgeschwindigkeiten jenseits der 20 kn wiederspiegeln. Und wie immer
gilt, auch ein Schiff mit seiner Crew braucht die nicht so guten Tage, um
die guten hiervon unterscheiden zu können.
So hatten wir berichtet, dass alle anfängliche Wetter-Hoffnung in einem
Winddreher auf südwestliche Richtungen steckte, alsdann der Wind uns von
hinten direkt in Richtung Azoren schieben würde, das Schiff gerade liegen
und das Leben an Bord wie auf einem Kreuzfahrtschiff verlaufen sollte. Aber
bis zu unserem letzten Bericht kam und kam dieser Dreher nicht. Die "Haspa Hamburg" lag schon fast hundert Meilen hinter der errechneten durchschnittlichen Tagesdistanz. Die Crew war am Ende ihres Lateins, es half kein Sherry, kein "am Baum kratzen", nichts was geeignet war, Rasmus zu einem Einsehen zu verhelfen.
Doch dann kam "sie". Wenn unsere Haspa Hamburg die ersten Tage großartig lief, so schien die fehlende "richtige" Windrichung nun auch das Schiff zu nerven.
Zickig, fast wütend stampfte sie in die Wellen, als wollte sie mit jedem
Schlag ihrem Unmut Ausdruck verleihen. Es muß für Rasmus etwas des berühmten "Basta" aus dem italienischen Matriarchat gehabt haben, dass er ein Einsehen hatte. Denn endlich kam der Dreher.
Die eh schon gute Laune an Bord wich nun der Begeisterung für unser Schiff.
Es ging der Genacker hoch und der Wettkampf um die schnellsten gemessenen
Geschwindigkeiten begann. Mit dem gedrehten Wind setzte sich auch die schöne langgezogene Atlantikwelle durch. Im Surf erlebten wir Geschwindigkeiten bis - immerhin - 21,5 kn, mit Lasse am Steuer. Mit jedem gebrochenen Rekord ging ein Jubel durch die Mannschaft. Die zurückliegenden Meilen waren binnen zwei Tagen wieder eingeholt. Unsere letzten Etmale lagen um die 240sm. Crew und Schiff rasten bei strahlendem Sonnenschein zu den gemeinsam erlebten Glücksmomenten durch die mit uns und vor allem mit "ihr" versöhnte See.
Inzwischen haben wir 1.550 sm im Kielwasser. Der Wind hat weitergedreht. Die
letzte Nacht war mit Windstärken um die 7-8 Bft. und Winden aus nördlichen
Richtungen eine notwendige Übung, um Strecke Richtung Norden gutzumachen.
Bei den Segelwechselmanövern und der schwierigen Fahrt duch die sich
kreuzende See gab uns die Haspa-Hamburg zu jeder Zeit ein gutes und sicheres Gefühl. Wir segeln im dritten Reff mit kleinster Genoa immernoch mit gut 8 bis 9 kn über Grund.
Inzwischen ist die Front inklusive des anschließenden Regenbogens durch und
bei wunderbarem Rückseitenwetter mit strahlendem Sonnenschein zieht unser
Schiff wieder gutmütig seine Bahn - als sei "sie" mit sich und der Welt
genauso zufrieden wie wir.
Bis Morgen,
Eure Atlantik-Crew