Madeira - Kiel
Puh - das war mal wieder eine anregende Reise: Schon die Planung ließ erahnen, dass hier einiges an Wetter zu erwarten war ... Von Madeira bis zum Englischen Kanal sind Mitte August, Anfang Sepember beste Nordwindlagen zu erwarten. Das Azorenhoch steht stramm über den Azoren, so hatte ich mir das vorgestellt, - und wir sollten zwei Wochen lang dagegen ankreuzen. Und dann ab in den Englischen Kanal und -hui - mit einem Tiefdruckwirbel nach Kiel sausen. Aber der Reihe nach. Schon die Planung war sehr ambitioniert: Georg sollte die Regatta nach Madeira am 11. August in Cowes starten und wir sollten das Schiff am 18. August in Funchal übernehmen. Pustekuchen: Wir - Hetti, Annie, Lukas, Jérôme, Martin, Max, Peter, Jasmin und ich - standen um 23 Uhr in Funchal an der Pier und mussten den Begrüßungstrunk alleine trinken, denn die Regattaleitung hatte (ohne uns zu informieren) eine neue Marina am Nordost-Ende der Insel als Ziel- und Liegehafen bestimmt. Ein Hoch auf das Handy!
Der 19. verging nun mit Einkauf, Schiffübergabe und Gesprächen. Der Morgen des 20. diente der Einweisung in das Schiff und seine Sicherheitseinrichtungen. Und dann ging es um 10 Uhr los; Wind Bft 3 bis 4 aus 40 Grad - naja, vorschriftsmäßig. Jedoch ging es Jasmin wieder schlechter. Dies führte zu der Entscheidung, nach 70 Seemeilen umzukehren und ihr die Heimreise per Flieger zu ermöglichen (zuhause wurde eine Fischvergiftung erkannt). Und so empfing uns Georg, , der sich um Jasmins Weiterreise verdient machte, um 24 Uhr erneut in der Marina. Am 21. ging es dann um 1 Uhr nachts wieder gen See. Das Trockenfutter kam in Routine, täglich kamen zwei Brote aus dem Backofen, die Reffvorgänge wurden flüssig, die Tanks leckten, der Wassermacher produzierte- wenngleich mit immer größerem Widerwillen - bestes Hochsee-Quellwasser, kurz: Seefahrtsroutine setzte ein. Auf der Breite der Azoren hatte der Wind so weit nach Norden gedreht, dass wir unsere erste Wende fuhren und nun auf Kurs 20 Grad gingen. Ziel war hierbei, die vom spanischen Festlandtief erzeugten Nordwinde mit Bft 6 bis 7 vor der portugiesisch/spanischen Küste und der Biskaya zu vermeiden. Wir konnten dabei mit unseren NW Bft 3 bis 5 stets ein Etmal von 190 sm einsammeln. Jedoch ging der Wind am 25. auf südlicher als West und spendierte uns nur noch so um Bft 3 - damit war die bisherige Rauschefahrt am Wind beendet.
Wir fuhren so in einem großen Bogen in Richtung Kanal, bis uns ein Schwachwindgebiet, das von Irland bis in die südliche Biscaya reichte, die Kanaleinfahrt völlig verblockte. Die Etmale gingen unter 100 sm - Minimum unter Segel bei 32 sm.
So war Sonnen angesagt und Baden im 4000 m tiefen Swimming-Pool und ausdauerndes Beobachten von Mengen von Delfinen, Tunfischen, Buckel- und Finnwalen, die man sich in dieser Häufung nicht hätte träumen lassen. Zur seelischen Beruhigung: Kein Fangschiff zu sehen.
Am 27. hatte uns die Flaute fest im Griff und kurzzeitig musste immer wieder mal der Motor ran. Spontan wurde das Bergfest angesetzt; es gab Ungarntopf eingewässert mit Rotwein und als Nachtisch Halbgefrorenes, nämlich Mousse au Chocolat aus dem Tiefgefrierer. Anstelle des Champagner hatten wir uns schon in Madeira situationsgerecht für Madeira entschieden - ein Genuss.
Bis sich am 29. der Wind wieder erhob und genau aus unserer Kursrichtung mit Bft 2 manchmal 3 wehte. Damit wurde die Zeit knapp für unsere drei Aussteiger (planmäßig am 30. in Cherbourg oder Cowes), deren Schule von ferne rief. So ratterten wir die letzten 75 sm nach Brest unter Motor ab und konnten die Dreierband dort am 30. August frühmorgens absetzen. Tanken, Wassernehmen, Baguettes kaufen, weiterfahren.
Bei Tageslicht gingen wir dann durch die Untiefen zwischen dem Festland und Ile Quessant nach Norden. Über Land brauten sich schwarze Wolken zusammen, es wetterleutete stundenlang, bis auch der Engl. Kanal völlig zugezogen war. In dieser Nacht flaute der schwache Wind kurzfristig ganz ab; der Rudergänger hatte gerade den Motor gestartet, als eine Böe mit 30 kn von SW einfiel und das Schiff ordentlich durchrüttelte. Der Wind stabilisierte sich später auf 17 kn aber die wilden Sprünge der NV oder Welleneinschlag von achtern hatten den Splint aus der Gehäusesicherung der EPIRB gezogen und diese war ausgelöst ins Wasser gefallen und entschwand blinkend in der Dunkelheit. MRCC Bremen wurde informiert.
Mit dem nun stabilen SW 4 bis 5 konnten wir noch am Abend Cowes erreichen, wo schon unser neues Crewmitglied Thorsten an der Pier stand. Der Abend klang mit einem gemeinsamen Essen in der Altstadt von Cowes aus.
So segelten wir, nun wieder zu sechst, am 1. Sept. mittags mit der Tide den Solent runter nach Osten. Der Wind mit Bft 4 bis 5 aus SW blieb uns erhalten, steigerte sich noch auf 5 und 6 und trug uns schon um Mitternacht an Dover vorbei. Leider drehte er auch auf S und zeitweise SW und frischte bis auf Bft 8 auf und zwang uns so, bis in die Gegend von Harwich durch die dortigen Untiefen zu gehen, bis wir als nächsten Hafen Ijmuiden anliegen konnten. Genua 4 und Reff 3 taten ihre unerschütterlichen Dienste und trugen uns bis in den Vorhafen des Nordseekanals von Amsterdam. Hinter der Mole war das Einsammeln der Segel doch deutlich einfacher.
Aber die Seaport Marina direkt hinter dem Strand konnte uns keinen Liegeplatz bieten, da eine Bootsausstellung alle Plätze mit 3 m Tiefgang belegt hatte. Dank der Güte des Hafenmeisters übernachteten wir zwischen den Dalben des Travellifts. Die Böen fegten auch hier an Land noch mit 32 kn durch die Masten. Der Tidenhub konnte mit Nachtwachen (Wechsel alle Stunde) an den Leinen ausgeglichen werden.
Der Wind ließ nicht nach und am nächsten Mittag legten wir daher den Reacher bereit, zogen ihn im Vorhafen hoch und sausten bei SW 7 bis 8 die holländische Küste hoch, über Texel hinweg in die Nordsee und holten ihn erst wieder im Vorhafen von Helgoland an Deck. Dort am 4. Sept. um 8 Uhr fest - und erstmal ausschlafen. Kleiner Einkauf, etwas die Beine vertreten, erste Aufräumarbeiten.
Am nächsten Morgen hatten sich Wind und See etwas beruhigt und so hatten wir einen ruhigen, entspannten Törn nach Brunsbüttel. Man konnte richtig merken, wie jetzt so langsam die Seeroutine abflaute. In Brunsbüttel gingen schon mal der defekte Wassermacher, überschüssige Nahrungsmittel und nicht mehr benötigte Kleidung von Bord.
Mit dem in Brest reichlich eingekauten Treibstoff konnten wir dann am 6. Sept. bequem die Kanalfahrt absolvieren. Die 8 Stunden wurden überhaupt nicht langweilig, denn es war im Schiff unendlich viel aufzuräumen, zu reinigen und zu waschen. Um 15 Uhr machten wir in Kiel fest, packten unsere Sachen, nahmen Abschied und fuhren mit den diversen Freunden oder Verwandten nach Hause.
Und Thorsten will auf jeden Fall bei weiteren Reisen dabei sein.