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Offshore Youngsters Herbst Regatta .... oder die wahre Härte jedes Wortes in Reinform

160 Jungendliche racen bei herbstlichen Bedingungen von Kiel nach Travemünde. Ein Ereignis von grosser Professionalität und jugendlichem Spass. Da ist ein spitzen Nachwuchs in den Startlöchern.

Vorbereitung:
Um die Vorbereitung brauche ich mir keine Sorgen zu machen, das übernimmt alles meine Skipperin Merle. Einzig sorgt mich der Wetterbericht: Samstag bis zu 40 Knoten aus Süd-Ost, Starkregen, kalt... eisekalt. Wieso? Im Herbst? Freiwillig? Ohne Heizung? Nutzt jetzt nichts mehr. Die Jugend zählt auf mich, auch wenn die Erwartung ist, dass ich am besten gar nichts mache, gut- vielleicht ein bisschen Sicherheit geben. Merle hat sich um alles gekümmert: Von einem top vorbereiteten Boot über eine gut zusammengestellte Crew bis zu einem Einkauf, der bereits vorahnen lässt, dass es kein Spaziergang wird.

Der Start der Regatta erfolgt Känguru-Modus vor Schilksee. "I love it"- so fällt die Klopperei an der Startlinie aus und die wahre Battle entsteht vor dem Ziel. Für das langsamste Schiff, die "Wings of Wismar" bedeutet dies jedoch einen Start um 5:11 Uhr. Es wird ein langer Tag für alle Beteiligten. Broader View startet um 09:25:59 Sekunden, Haspa und Störtebeker danach. Insgesamt begeben sich 17 Schiffe mit 160 Segler:innen auf den Weg nach Travemünde. Die Windvorhersage hat sich inzwischen ein bisschen relativiert auf 28 Knoten, in Böen 34, der Regen soll bleiben, zumindest bis zum Nachmittag. Es ist nun mal Herbst.

Die Anzahl der Segelwechsel mit insgesamt 0 kommt meinem Sicherheitsbedürfnis sehr entgegen. Das ich eigentlich nichts anfassen darf, spielt der feuchten Kälte wiederum in die Karten, die sich rasch ausbreitet. Aber die Jugend rockt- hier wird jede Welle angekurbelt, die Verfolgungsjagd beginnt bereits auf dem Leg zum Fehmarnbelt. Bei Staberhuk Ost entsteht bereits die erste Häufung der Wettbewerber, nach und nach vernaschen wir die Konkurrenz, bei langsam aufklarendem Himmel- ein Segen. Der Wind geht leicht runter- jedoch steht weiterhin die zwei vorne. Da überrascht Crew-Küken Lotti mit frischen Hot-Dogs- eine Wohltat. Maritim Travemünde in Sicht voraus und kein weiteres Schiff vor uns. Doch von achtern drängt sich die Störtebeker auf. Ein harter Kampf entsteht, es geht schließlich um die ersten beiden Plätze- dahinter ist das rot der Haspa unschwer auszumachen. Weitere Konkurrenten- kaum zu sichten. Die Ziellinie bilden das Heck der Passat und die Flagge der Lübecker Yacht-Clubs, unglücklicherweise an der schmalsten Stelle des Fahrwassers durch das recht häufig die großen Skandinavienpötte ein- und auslaufen, blöderweise bläst der Wind genau aus der Trave. Kurz bevor wir den Molenkopf passieren, ist eine große Fähre eingelaufen. Störtebeker und Brovie können recht entspannt im schmalen Fahrwasser aufkreuzen- Störtebeker gewinnt verdient das Rennen. Die Battle von Desna und Haspa wird angereichert um eine weitere Fähre, das Timing bei ihnen nicht ganz so glücklich. Es muss ungefähr in dem Eifer des Gefechts passiert sein, als die Bank von Bremen zu ambitioniert vor dem Priwall wenden wollte... und auf schiet lief. Zur Hilfe eilten der Hafenmeister mit seinem Tuckerboot und die Haspa. Bei dem Versuch, eine Leine auf das Havarierte Schiff zu werfen, fiel der Hafenmeister über Bord und wurde somit selber zum Havaristen Nummer 1, aufgefischt von der Haspa. Alle Zuschauer, die das Spektakel nicht einsehen konnten, wurden von dem Funkverkehr zwischen Bremen Rescue und Bank von Bremen bestens bei Laune gehalten. Es sei hier angemerkt, dass zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Gefahr für Mensch oder Material bestand.

Zur gemeinsamen Regattaparty waren alle Teilnehmer wieder fröhlich und trocken vereint.  Inzwischen war es schon gut 9 Uhr und es sollte noch lang gefeiert werden. Die Jugend hat schließlich die erforderliche Energie.

Furchtbarste und viel zu laute Musik läutet den nächsten Tag ein - diese Tradition bei HVS Schiffen verhagelt jedem Morgenmuffel einen Tonus gerechten Start in den Tag. Die Siegerehrung ist für humane 10 Uhr angesetzt und wird von Achim Brünner zusammen mit den Co-Ausrichtern von LYC und KYC durchgeführt. Erster Platz geht an Störtebeker mit Nachwuchsskipper Niklas Hellwig, welche auch zugleich den heiß begehrten Commodore Cup gewinnt. Zweiter Platz geht an die Broader View mit Merle Ritzer, dann Desna, gefolgt von Haspa unter Julius von Stein. Die berühmte Burmesterschale für die beste Crew über 27 ging auch an die Broader View mit zwei Crewmitgliedern über der Grenze. Weitere Preise waren der Anna Brünner Classic Preis für die "Wings of Wismar" und der Elfriede Cup für die beste weibliche Crew an die "Wiking VIII".

2. Teil:
Nun gilt es, einen Großteil der Schiffe, nebst leicht angeschossener Crews, wieder sicher zurück zu segeln. Die Entscheidung der HVS Skipper plus Bank von Bremen fällt auf Røgby, ein schöner Anlieger bei durchgehend strammen Winden um 26 Knoten - inzwischen unspektakulär und in der Kategorie "entspanntes Segeln bei schnelleren Winden" abzuspeichern. Das Ziel ist kurz vor Sonnenuntergang in Sicht, wo wir nach passieren, des Belt-Fahrwassers von den Wachschiffen der Fehmarn-Belt Tunnelbaustelle angefunkt und aufgespürt werden. Kein Grund zur Panik, unsere Karten sind auf neuestem Stand. Dennoch wird das Fleet bis in den Hafen von Røgby begleitet, wo die Riesenkatamarane durch unnötiges Manövrieren die Segelberger im eigentlich sicheren Vorhafen stören - komplett unnötig. Egal, wir sind sicher angekommen, freuen uns auf super Essen und die anstehende Geburtstagsparty von Gesine, die dankenswerterweise an Bord der Bank von Bremen ausgerichtet wird.

Dritter und letzter Tag - Schlusssprint nach Kiel, der Wind bläst immer noch mit 26 Knoten. Zum Glück langt es für einen Anlieger bei ordentlicher Welle. Das enervierende Weckprozedere startet um 7 Uhr - far too early. Mir geht es überhaupt nicht gut - Grund unbekannt. Da müssen wir jetzt alle durch; soll die Jugend zeigen, was sie kann - ich werde mich bedeckt halten. Und es wird wieder zornig. Interessanterweise radiert es zunehmend weitere Crewmitglieder aus, unüblicherweise seefeste Kandidat:innen. Wir rekapitulieren, dass bereits am Morgen des Vortages ein Crewmitglied die Rückreise angetreten hatte, da ihm hochgradig unwohl war. Es liegt die Vermutung nahe, dass neben Kälte, Übermüdung und Alkohol noch ein kleiner Virus im Spiel war, denn selbst am Abend - als das Schiff schon längst im Hafen lag - haben noch Crewmitglieder über den Chat die weiße Flagge gehisst. Alle haben überlebt, um eine Erfahrung reicher. Vielleicht sollten wir langsam davon Abstand nehmen, die PET Getränkeflaschen auf der Kante durchzureichen und endlich zu umwelt- und gesundheitsschonenden Alternativen greifen.

Resümée:
Es war eine heftige Tour, seglerisch anspruchsvoll aber seglerisch auch perfekt von der Jugendcrew gemeistert. Ich mache mir seit dem Wochenende keine Sorgen mehr über die Qualität unseres seglerischen Nachwuchses. Diese Regatta, ausgerichtet von LYC, KYC und HVS ist eine großartige Möglichkeit für die Jugend, die recht seniore Hochburg des Hochseesegelns für ein paar Tage vollständig einzunehmen.


Danke an alle Organisator:innen! Es war uns eine Freude!

Es grüßen leicht fertig aber glücklich von Land!
Martin, Merle und der Rest der Brovie-Crew