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Ab nach Stropez Bordbericht Störtebeker- Barcelona - St. Tropez

"Das sieht aus, wie eine schlecht organisierte Klassenreise", kommentiert Sandy mein erstes Urlaubsfoto. Es zeigt eine schnittige 47 Fuss Carbon-Rennyacht, teilweise zugedeckt von Tüchern und Hutzen; über dem Baum ein Sonnensegel. Darunter schlafen Jugendliche in Schlafsäcken, umringt von Taschen, Kochgeschirr, Bechern. Eine Matratze ist frei - meine.

Eine hellgraue, brandneue Sea-to-Summit high-tech Luftmatratze, für 220 Euro mein persönlicher Luxus in diesem Urlaub, eine 350g schwere, super teure LuMa. Ich bin gespannt, wie die nächsten Nächte werden, die letzte war... ausbaufähig. Aber es geht ja gerade erst los. Unter Deck herrscht noch weniger Komfort und es gibt quasi keinen Sauerstoff. Die "Störetebeker" hat nicht mal Bodenbretter oder Lampen, geschweige denn Stehhöhe bei 47 Fuss, ein purer Renner mit dem Allernötigsten. Ein Klo gehört dazu - frei im Raum stehend - eine Pantry nicht. OK, es gibt einen Wasserkocher.

Barcelona, Yachthafen, zwischen all den Weltenbummlern und Megayachten, das Abenteuer beginnt. Eine reine Jugendcrew - nun - und ich. "Ich hab nicht studiert, um wie ein Student zu reisen", war stets mein Motto. Nun finde ich mich hier im Komfort des Kuttersegelns auf einem Carbonhobel in dessen Genuss maximal ein Promille der Segler kommen - also Profisegeln mit Studenten.

Die Crew erwacht so langsam, freudig motiviert geht es zum Frühstück an den Strand. Die Luft steht bei über 30 Grad. Ein wesentlicher Grund endlich loszusegeln, draussen geht ein Lüftchen. Und da ist es, dieses Gefühl, das alle spartanischen Entbehrungen vergessen lässt: Bei 5 Knoten Wind rennt die Störtebeker mit 5,4 Knoten Speed, es ist einfach traumhaftes Segeln. Kein Tourensegler käme bei dem Wind überhaupt auf die Idee, die Laken hochzuziehen. Es versaut für ein jedes Tourenboot. Für Skipperin Cosima ist es die Jungfernfahrt, die Crew funktioniert, wie ein Uhrwerk.

Wir legen an im kleinen Örtchen Arenys de Mar. Zentraler Vorteil der Marina- ein eigener Pool. In Kombination mit einem Drink klingt ein perfekter Tag aus.

 

....der nächste Morgen...

9 1/2 Stunden, ich hab 9 1/2 Stunden geschlafen. Gestern hätte ich es nicht mal für möglich gehalten, dass ich überhaupt ernsthaft Schlaf bekomme- spitzen LuMa... und offensichtlich war es echt nötig. Ich mache mir einen Kaffee und verziehe mich an den Strand zum Yoga. Für einen Tag an Bord des HVS geht es mega entspannt los.

Ablegen, die nagelneuen schwarzen Laken hoch und ab geht es bei 14 Knoten Wind.

Als besonders wertvoll auf HVS Touren empfinde ich stets die Gespräche auf der Kante. Einfach zuhören, was die treibenden Kräfte des Vereins bewegt. Und es gibt viel zu erzählen von Erlebnissen der vergangenen Wochen und Gestaltungswünschen. Neben mir auf der Kante sitzt eine emanzipierte Generation Z mit sehr klaren Vorstellungen von der Zukunft, die für sie keine Verlängerung der Vergangenheit darstellt. Und es ist eine nachwachsende Generation in der Segelgruppe, die nahezu paritätisch mit Frauen besetzt. In Kombination mit unseren High-Tech Yachten, die alterfahrene Skipper wie mich gerne an ihre Grenzen führen, stellen sich neue Verhältnismässigkeiten ein. So kann eine 21 jähige Skipperin, die aufmerksam und umfassend in den letzten zwei Jahren Störtebeker gesegelt ist, einem alten Seebären an Board klar das Wasser reichen. Für Viele wird das eine neue Erfahrung sein. Ich fokussiere mich auf die Funktion des Backups und lasse die Jugend machen, genau meine Lieblingsposition.

Angekommen im Hafen von San Feliu de Guixhols möchte Mats -unser jüngster an Bord- noch einmal in den Mast. Das Gorilla Sleeve, was auch immer das ist, hat einen Riss im Top. De facto ist Gorilla Sleeve das Taff Luff der Neuzeit. Wichtig, aber offensichtlich genauso schnell kaputt. Nun gilt es mit Inspektor Ricky und Eric auszubaldowern, wie zu verfahren ist. Nach diversen Telefonaten steht fest: Das muss spätestens in Saint Tropez professionell repariert werden. Bis dahin darf keine Last in die schadhafte Stelle; bedeutet: Stormjib bis zum Zielhafen. Mit gebremster Begeisterung tapern wir in eine Tapas Bar- denn es ist der letze Abend in Spanien.

Langstrecke mit einer Nachtfahrt steht auf dem Program, quer durch den Golf de Lyon. Schulbuchmässig wird das Wetter gecheckt; sogar alle 6 verfügbaren Modelle bei Windy. Wenn eines in dieser Region verlässlich ist, dann die Tatsache, dass jeder Wetterbericht komplett für die Katz ist. Wir einigen und auf moderate Winde. In der Nacht soll der Wind mal kurz auf 18 Knoten hoch gehen. Am Vorstag prangt ab heute ohnehin nur noch die orangene Storm-Jib, somit können wir zwischen vollem Groß, Reff I und Reff II wählen. Bei der Wacheinteilung stelle ich fest, dass ich nicht mal Wachführer bin- großartig!

Es geht entspannt hoch am Wind in die Nacht. Wird uns der Mistral in Ruhe lassen? Zunächst läuft alles nach Plan: spitzen Wetter, gute Stimmung- so bis vier Uhr. Aus den maximal 18 Knoten werden 30 Knoten. Das 2. Reff muss gesetzt werden, was bei dem Renner mit seinen Fallenschlössern und Spezialiäten kein Spass ist. Alles läuft nach Plan und wie sich später herausstellt, ist es für den Zweitjüngsten an Bord sogar die erste Nachtfahrt. Mit dem Sonnenaufgang zeigt sich die Küsten von Frankreich- Marseille voraus.

Wir machen im Stadthafen fest, zentral für Ausflüge und natürlich Party! Am Samstag ist Caros Geburtstag- sweet 21. David aus der Crew ist halb Franzose, kennt Marseille und seine Secret Spots sehr gut. Wir erfahren die gefährlichste Stadt Europas bestens betreut und hervorragend unterhalten. Nach Aussage von Caro wird es der perfekte Geburtstag von dem hier jedoch nicht schriftlich Zeugnis abgelegt werden wird.

Marseille hält uns vier Tage in seinem Bann. Einen Nachmittag fahren wir nach Aix-en-Provence, den anderen Tag wandern wir an der Küste zu einer pitoresken Badebucht. Am Montag reicht es uns. Aufgrund einer schwer definierbaren Wettersituation in den kommenden Tagen beschließen Skipperin Cosima und Navigatorin Gesine, dass wir in einem Schlag zum Zielhafen nach La Lavandou durchsegeln werden, um nicht noch kurz vor dem Ziel einzuwehen.

Es sind wieder so maximal 20 Knoten vorhergesagt. "Sollen wir gleich das 2. Reff nehmen?", fragt Cosima in meine Richtung. "Trust your gut." Und als ob sie es geahnt hatte, ballert es vor dem Hafen gleich schon wieder mit 30 Knoten in der Spitze. Auch auf der Strecke bringen die diversen Wettermodelle wenig Erkenntnis. Gutes Gefühl, Wolken lesen und jederzeit auf heftigeste Bedingungen vorbereitet sein sind hier erforderlich. Wir haben auf den 60 Meilen 4x ein- und ausgerefft.

Mit dem Sonnenuntergang endet die Skipperinnenjungfernfahrt von Cosima, selbstverständlich begleitet vom üblichen Zeremoniell; sicher, ohne Schäden und harmonisch ohne Gleichen.

Es mag auf die Kombination von eigener Jollenerfahrung, einer soliden DHH Grundausbildung und vielen Meilen auf den HVS Booten zurückzuführen sein, dass die Störtebeker auf diesem Törn zu jeder Minute souverän von einer Crew von 20-jährigen gerockt wurde- Chapeau!