Zum Hauptinhalt springen

Äquatortaufe

Auf dem Weg von Rio in Richtung Horta erfährt die Crew der Haspa eine der größten Weihen für Hochseesegler

Der Herr der Meere an Deck der Haspa

Position: 21.05.2021, 23:45 UTC - 01° 12.380 S 031° 57.921 W Kurs 000° - Nord liegt an!

 

Moin ihr Lieben,

es ist endlich soweit, wir sind auf Kurs 000° und nach nur noch 2400 sm geradeaus sind wir auch schon auf Horta.

Aber der Reihe nach... Am Donnerstag war Putztag. Neben den üblichen Verdächtigen Bereichen wie Klo und Kombüse wurden heute auch sämtliche Bodenbretter sowie die üblichen Bodenflächen einer gründlichen Reinigung unterzogen. Dies war eine ziemliche Schufterei, da die Hitze unter Deck im Bereich unerträglich einzustufen war und man eigentlich vom dort Schlafen schon k.o. war.

An Deck war es hingegen ganz gut auszuhalten. Der Wind hat sich stabilisiert und die Haspa konnte auch an diesem Tag als Segelboot genutzt werden, sodass das Motortrauma der Vortage langsam überwunden werden konnte.

Zum Nachmittag kam es dann zu etwas Aufregung. Oder auch nicht. Denn die bevorstehende Übung wurde letztlich doch unverkennbar angedeutet, sodass der Puls nicht auf 150 ging, als es plötzlich hieß: Person über Bord an Backbord. Die Person war in diesem Fall ein Fender samt Pütz und wurde natürlich nicht aus den Augen gelassen. In insgesamt drei Durchläufen konnten wir Fender und Pütz sicher zurück an Bord holen und haben zudem nochmals die wichtigsten Schritte des Person-über-Bord-Manövers besprochen und durchgeführt.

Danach wurde es ruhiger und wir verbrachten den weiteren Nachmittag gemeinsam mit einem Kaffee an Deck, während die HASPA uns weiter auf Kurs 007° (ist jetzt wirklich Zufall) in Richtung der Insel Fernando de Noronha segelte.

Zum Abend zogen sich die Freiwachler zurück, um letztlich zum Sonnenuntergang doch wieder an Deck zu sitzen. Der eine konnte nicht schlafen, dem anderen war die gute Stimmung an Deck nicht entgangen und so segelten wir bei entspannter Musik alle zusammen in die Nacht hinein.

Als es dunkel war, wurde es schließlich doch leerer an Deck. Dabei gab es nach 10 Tagen mal wieder Land zu sehen. Wie geplant segelten wir mit ca. 12 sm Abstand östlich an der Insel Fernando de Noronha vorbei. Nachdem wir diese an Backbord liegen lassen haben, war es endlich soweit. Kursänderung auf 000° Nord! Wir konnten Brasilien nun endlich hinter uns lassen und haben als nächste navigatorische Wegmarke nur noch Horta!

Bei Windgeschwindigkeiten von 18 - 20 Knoten und einem True Wind Angle von 120° war die rote Lady ebenfalls erfreut, nun durchziehen zu können und so rauschten wir bei immer klarer werdendem Sternenhimmel durch die Nacht.

 

Der Freitag zeigte sich von einer ganz neuen Seite. Zunächste die gute Nachricht, obwohl wir uns im Bereich der Dolldrums befinden, haben wir sehr passablen Wind. Aber heute wurde es Nass und das mehrfach. "Wie ein warmer Sommerregen auf der Haut" bewarb einst ein Hautcreme-Hersteller mit Niveau eines ihrer Produkte. Wir können jetzt nachempfinden was das heißt. Tatsächlich taten die mitunter sehr starken Regenschauer mal richtig gut. Waren sie doch eine angenehme Erfrischung und eine willkommene Abwechslung zu den sonstigen Salzwasserduschen. Der ein oder andere ergriff auch sofort die Chance und zückte ein Shampoo.

Ansonsten können wir uns nun als Tester bei Stiftung Warentest im Fachbereich Quick-Dry-Shirts als Experten schimpfen. Die an Bord befindlichen Modelle haben gute Arbeit geleistet. Allerdings brachte das nicht viel, weil kurz nach der fertigen Trocknung der nächste Schauer einsetzte.

Viel interessanter war hingegen, was die Schauerwolken windtechnisch bereit hielten. So hatten wir zwischen den Wolken 13 - 18 Knoten, kurz vor den Wolken nur noch 5 - 10 Knoten, um in den Schauerwolken auch mal bis zu 23 Knoten Windspeed abbekommen. Der Wellengang war eher so für 15 + Knoten ausgelegt, sodass wir zwischen schwer genervt und Himmel hoch jauchzend alle Stimmungslagen durchlebt haben.

Aber wie im letzten Bordbericht bereits als Cliff-Hanger angemerkt, können wir nun berichten, dass die HASPA auch noch zweistellige Boatspeedwerte schafft. Trotz der ja nun leider etwas limitierten Besegelung haben wir es auf über 12 Knoten Speed Over Ground geschafft.

An dieser Stelle eine Vorankündigung:

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Beim Blick auf unsere Position ahnt der geneigte Leser, was morgen anstehen dürfte. Diesbezüglich fand sich heute ein wichtiger Hinweis der Meeresbewohner an unserer Toilettentür. Es soll große Spannung in der Luft, äh im Meer liegen, die von keinem geringeren als Neptun ausgehen soll. Wir sollen uns bereit machen und unsere Festtagskleidung bereithalten. Es könnte jederzeit so weit sein.

 

 

23.05.2021 00:23 UTC 02°00,9N (!!) 031°29,18W

 

Eine angenehm unaufgeregte Nacht ging mit einem Highlight zuende:

Eine Minute vor dem Sonnenaufgang um genau 08:02:10 UTC überquerten wir auf 31° 51.446 W den Äquator - endlich!

Zuvor kamen alle aus ihrer Koje gekrochen, um diesen Ereignis live miterleben zu können. Zu Kaffee, bester Musik und einem wunderschönen Sonnenaufgang steuerte uns Fine auf die Nordhalbkugel was gleich ein Stück Heimatgefühl mit sich brachte. :)

Nachdem wir noch ein wenig den Sonnenaufgang bei einem gemeinsamen Frühstück genossen haben, ging es für die Freiwachen zunächst zurück in die Koje.

Zum Mittag gab es zur Feier des Tages ein weiteres Stück Heimat, es wurde Labskaus gekocht! Leider fehlte der Rollmops und konnte auch nicht durch einen Thunfisch ersetzt werden. Stattdessen übernahmen brasilianische Dosenwürstchen den Job...

Leicht platt von der Sonne begann die nächste Ruhephase, bis Neptun am Nachmittag das Schiff betrat! Die Crew wurde zu harten Fakten und Zahlen der Haspa ausgequetscht. Wer falsch antwortete, wurde mit stinkenden Flüssigkeiten zur Rechenschaft gezogen. Die meisten richtigen Antworten wurden aber auch mit den Flossen einer Goldmakrele belohnt! Wer in naher Zukunft die Crew und Neptun auf Fotos bestaunen darf, wird sich glücklich schätzen, der Spaß war groß und die Outfits wunderschön. Kleiner Tip: Dieses Jahr sind Kokusnussbikinis voll in Mode.

Im Anschluss wurden wir im ersten echten Doldrums-Squall bei über 30 Knoten Windspeed zwangsgeduscht, um anschließend ein paar Stunden in der Flaute zu stehen. Letztere führte dazu, dass wir heute auch schon mit Kurs Süd auf Steuerbordbug unterwegs waren, bis die nötige Geschwindigkeit für eine Wende gesammelt war. In ca. 175 Meilen sollten wir die Kalmen verlassen haben, uns verlassen die Kalmen aber spätestens morgen (23.5.) Abend - sofern der Wetterbericht stimmt :) Ab dann heißt es: Ordentlich Speed zu den Azoren!

Um das zu erreichen stehen einige taktische Entscheidungen an, sobald wir aus diesem ungewissen Seegebiet raus sind. Bezüglich der Wetterlage im Nordatlantik werden aber erst morgen die Sattelitenleitungen heiß laufen. Bis dahin hoffen wir die 8-10 Knoten Wind, die wir momentan haben, mindestens zu behalten.

 

Ganz liebe Grüße von Bord

 

Bernhard, Fine, Johanna, Gerrit, Jan und Laurids