Dancing with the squawls
Der zweite Seetag verabschiedete sich recht kitschig mit einem prächtigen, zweifachen Regenbogen und obskuren Wolkenformationen im glühenden Sonnenuntergang. Es fehlten lediglich die tanzenden Einhörner. Aber gut. Wir klagen hier auf hohem Niveau. Regenbögen, so heißt es ja, entstehen dort, wo dann auch Regen ist. Wir meinen: das stimmt. Gegen halb eins, bei stockfinsterer Nacht und unter abgesehen vom sintflutartigen Regen recht handelbaren Bedingungen um die 20kn Wind, erkannten wir, gerade rechtzeitig, eine aktenkofferähnliche Wolkenformation schemenhaft am Himmel. Sofort bargen wir die Genua, gerade noch rechtzeitig. Denn nun klappte Neptun schnalzend seinen Aktenkoffer auf, und es fielen gut 40kn Wind heraus. Diese brachten uns auf den bisherigen Topspeed von 19kn Fahrt durchs Wasser raumschots, und das nur unter Großsegel. Respektvoll setzen wir uns zu Neptun an den Verhandlungstisch und legten ihm beruhigt unsere Aktenlage dar. Das ihm vorgelegte Reff hielt seinen folgenden Konterversuchen stand: Noch sechs oder sieben Mal schickte uns der Meeresgott Regen, dann Wind, Dreher, Regen, Wind, Dreher usw. So verbrachten wir den Rest der Nacht unter gerefftem Groß bei Rauschefahrt gen Heimat bis es gegen 4Uhr langsam aufhellte, wir die Genua setzten und ausreffen konnten. Bei diesem Manöver stellten wir fest, dass Neptun nachts auch seine Gefährten, die fliegenden Fische entsandt hatte, die wie Fliegen auf einer Windschutzscheibe überall an Deck verteilt lagen. Die armen Viecher. Man stelle sich vor: Da springst Du nachts aus dem Atlantik, um Dich vor Deinen natürlichen Fressfeinden zu retten und knallst gewissermaßen gegen einen Rennwagen, der zufällig auf Deiner Spur unterwegs ist.
Der folgende Tag entschädigte uns für die Strapazen im Vollwaschgang der vergangenen Nacht. Strahlender Sonnenschein, gut 20kn Wnd von Achtern und auf gleichmäßiger Welle neue Speed-Rekorde unter Spi, aktuell 21kn durchs Wasser. Wir trockneten unsere Klamotten und backten frisches Brot. Eigenartig, wenn jemand im Menöver kurz Eile gebietet, da ja das Brot im Ofen sei. So ging es munter durch den Tag. Nur eine herannahende ca. 30 Seemeilen große Böenwalze, von deren unhöflichen Geschwistern wir nachts wahrlich genug hatten, veranlasste uns dazu, kurz rechts ran zu fahren, auf dem Standstreifen unter Genua 2 bei nur 14 kn Speed abzuwettern und das frisch gebackene Brot mit Salami und Käse zu verkosten, eine willkommene Abwechslung und als "Amuse geuille" zum abendlichen Chicken Tikka Massala aus der Tüte ein echter Hingucker.
Mittlerweile habe wir alle Hände voll zu tun, die feuchtigkeitsbedingt ausgelösten Schwimmwesten neu zu packen. Alle paar Stunden macht es in irgendeiner Ecke "pffffffff", und das Spiel geht von vorne los. Trotz Freizeitstress an Herd und Deck gelang es uns, die Trackerdaten der anderen Yachten herunterzuladen, und so kommt ein bisschen Übersicht in die Gemengelage. Wir finden uns auf dem Großkreis in nicht einmal schlechter Position, was die ohnehin gute Stimmung hochhält. Rambler und die Jungs von der Bank von Bremen scheinen umgekehrt zu sein, wir hoffen, es sind alle wohlauf. Bei uns sind alle gesund und munter, abgesehen von Arnes gebrochenen Zeh. Passt auf Euch auf und Euch allen eine gute Reise.
Eure Broader View Hamburg-Crew
Felix Christiansen