Der Sturm vor der Ruhe
Gerade als in
Danzig die Leinen übergehen, hört es auf zu regnen. Gut, es folgen noch
ein paar Schauer, was die Crew maximal als erhöhte Luftfeuchtigkeit
wahrnimmt. Alle sind fertig und durchnässt bis auf die letzte Lage;
Stiefel werden entleert und Socken ausgewrungen. So fühlt sich also
Sommer an? In kleinen Gruppen erobern wir die Stadt, während sich das
Wetter zusehens stabilisiert. Spät am Tag sitzen alle wieder in lustiger
Runde in der Plicht und machen Quatsch- allen voran Niklas, ein
unerschöfpflicher Quell an lustigen Erzählungen und Spielchen.
Mittwoch
Morgen brechen wir auf gen Kiel, ein spannendes Vorhaben bei vorwiegend
westlichen Winden. Der Wind bläst kräftig mit 20+ Knoten,
glücklicherweise dreht er sehr vorteilhaft mit. Die Sonne setzt sich
stabil durch, was die Gemütslagen unserer 11-köpfigen Crew beflügelt.
Die Alpine-Bordstereoanlage wird voll aufgedreht- 80er bis modern steht
auf der Playlist, was alle Beteiligten in ein quasi
kollektiv-spirituelles Gesamthoch katapultiert. Dieser besondere Moment,
welcher das Zusammenspiel einer perfekten Crew krönt und alle in
höchster Glückseeligkeit vereint. Es ist unbeschreiblich und macht die
Strapazen der vergangenen Tage wieder wett. Kiel ein, zwei, drei Tage
entfernt? Egal- einfach weiterfahren, es ist gerade so geil! Vollends
zufrieden sprintet die Haspa Hamburg gen Nacht.*
Die Sonne scheint
dem Regen nun endgültig den Rang abgelaufen zu haben. Der Wind
stabilisiert sich um und zu 10 Knoten mit guten Anliegerkursen. Top
Bedingungen, wenn auch für die Jahreszeit zu kühl, wie der Experte
titeln würde. Gegen Mitternacht schläft der Wind ganz ein. Nicht schön,
doch wir steuern auf stark befahrene Seeschiffahrtsstrassen zu und die
Flaute erleichtert die Navigation ungemein.
Eine letzte Nachtwache;
Die Crew ist guter Dinge. Erste Gedanken an die Zeit nach der Tour
machen sich breit. Wann kommen wir an? Was stelle ich am Wochenende an?
Wie ist mein ganz persönliches Resümée? Würde ich es wieder tun?
Drei
Dinge entscheiden aus meiner Sicht über den Erfolg einer Fahrt-
Technik, Wetter und Crew. Die Technik ist bei HVS Schiffen stets auf
Weltklasseniveau. Wer ab und an auf alternativen Schiffen mitfährt,
weiss dies zu würdigen. Von hier droht nie eine Gefahr. Das Wetter war
von aussen betrachtet eine Vollkatastrophe. Doch trainierte es auch, das
hier und jetzt zu schätzen und aus jeder Situation das Beste zu machen.
Schon nach kurzer Zeit erfreute jeder kleinste Sonnenstrahl nach einem
verregneten Tag so sehr, wie sonst eine Woche perfektes Strandwetter.
Die Crew- bunt zusammengewürfelt, 30% in mittleren Jahren, der Rest
Jugendlich (oder jung geblieben), Hälfte davon Frauen (oder Mädchen) -
harmonierte von der ersten Minute an wie ein schweizer Uhrwerk. Keine
Situation, in der die Stimmung harsch geworden wäre oder sogar kippte.
Keine Querschläger oder chronische Nörgeler, obgleich das Wetter
ausreichend Anlässe geboten hätte. Ich sehe in der Crew das wahre Glück
der Reise, den Erfolgsfaktor und der Grund für die Zufriedenheit, welche
ich mit nach Hause nehmen werde.
Rickmer hat das Schiff mit seinen
20 Jahren bravourös geführt, sekundiert von Niklas in stets gut
gelaunter und gewissenhafter Manier. 2006 hatten wir aus der Segelgruppe
heraus das Projekt "Young Blood" initiiert, welches unter anderem die
Jugend an der Spitze unserer Boote postulierte. 13 Jahre später möchte
sich keine mehr das alte Format mit einer Schiffsführung unter dem
allwissenden Seniorat vorstellen. Sie würden ohnehin an der komplexen
Technik scheitern.
Der Dank der Crew geht in erster Linie an
Sponsoren, Förderer und Vorstand, die eine solche Tour auf höchstem
Niveau ermöglichen. Natürlich danken wir Skipper und Co-Skipper für
Ihren Einsatz, Achim für den Rückhalt und jedem einzelnen der Crew für
seinen individuellen Beitrag, diese Reise zu einem unvergesslichen
Erlebnis gemacht zu haben.
ETA Kiel heute, Freitag, gegen 17 Uhr.
V.i.S.d.P.: Martin - Bordberichterstatter
*dramaturgischer und emotionaler Höhepunkt nach 2/3 des Themas- hier würde jeder Verlag einschlagen.