Zum Hauptinhalt springen

Feuerrot gegen Tiefschwarz: Das Duell im Oslofjord

Die Störtebeker ist auf dem Weg nach Oslo zum Faerder Race 2023. Wird sie dort rechtzeitig ankommen, um die nahezu gleich vermessene Clubswan eines jungen norwegischen Eignerteams zu schlagen?

Endlich Juni. Endlich wieder Störtebeker segeln! Es gibt nur wenige Dinge, die erquicklicher sind, als diese gelegentliche Sportliche Übung für die Augen, das schlichte schwarze Schiff im Hafen ausfindig zu machen und sich zu denken:„Damit darf ich jetzt Segeln!“ Nach Oslo soll es gehen, und das möglichst schnell. Vom geplanten Ablegezeitpunkt bis zur Regatta sind es nur noch fünf Tage. Nicht viel in Anbetracht dessen, dass wir nicht sonderlich viel Wind erwarten, und dann auch noch aus genau der Richtung, in die wir wollen: Norden.

Am frühen Morgen des 5. Juni legen wir bei Hochwasser ab. Die Windrichtung bewahrheitet sich, glücklicherweise gibt es dann aber doch mehr als Angekündigt. So kommt es, dass hinter der berüchtigten Tonne 8 der wilde Ritt an der Kreuz beginnt. Immer höher werden die Wellenberge und immer tiefer werden die Wellentäler. Das alles wäre kein Problem, wenn nicht auch die Mägen einiger unserer Crewmitglieder immer leerer würden. Nach 24 Stunden sind ein Viertel der Besatzung außer Gefecht gesetzt, wir beschließen abzufallen, die allgemeine Gesundheit bessert sich.

Urplötzlich taucht in den Morgenstunden des zweiten Tages eine Nebelbank auf und der Wind ist weg. Seekrankheit ist unschön, aber Motoren? Das hat doch nun auch niemand gewollt! Über 200 Meilen haben wir noch vor uns.

Als wir nach einem kurzen Abstecher in einem Ort – An dessen Name sich wirklich keiner erinnern kann (Anm. d. R. der Ort heißt „Arendal“) – getankt haben, kommt der Wind plus Gratisdreher zurück und wir können mit dem A5 in den Oslofjord hineinrauschen.

Mittlerweile ist der Donnerstag angebrochen und da am Freitag das Rennen bereits beginnt, können wir keine Zeit verstreichen lassen um mit dem Ausstauen zu beginnen. Die Garderobe für das schwere Wetter bleibt im Dockbag, es wird eine Leichtwind Regatta. Nach getaner Arbeit machen wir einen Ausflug in die Innenstadt Oslos, wo wir in einem köstlichen Lokal uns fürstlich für die gewonnene Soloregatta nach Oslo feiern. Unser Preis: Die Teilnahme am Færdern Seilasen 2023.

 

Wenn man die schiere Masse an Teilnahmen betrachtet, ist das Faerder Race eines der größten Regatten Weltweit. Über 400 Boote beteiligen sich an der Fahrt, die ihren Namen durch den Faerdern Leuchtturm bekommen hat, um den uns unsere Reise führen wird. Der Faerdern Leichtturm befindet sich an der Einfahrt zum Oslofjord und dient als dessen Ansteuerungsfeuer. Ca. 50 Meilen sind es von Oslo bis dahin, anschließend geht es wieder in den Fjord hinein aber nur ein wenig, denn das Rennen endet in der beschaulichen Ortschaft Tønsberg. Insgesamt ist die Regatta ungefähr 80 Meilen lang.

Unser Rennen beginnt um 15:30 Uhr. Leichte Brise aus Südwest. Mithilfe des findigen, taktischen Geschicks Renés lernen wir alle, wie man sich auf engstem Raum einen vorteilhaften Start ersegelt. Nur wenige Meter vor und hinter uns gehen die unterwendeten Schiffe durch, aber nicht zu aggressiv, das Faerdern wird als Familienrennen bezeichnet und wir sind zu Gast hier ... und die einzigen „Internationals“. Obwohl das nicht ganz stimmt, auch ein schwedisches Schiff befindet sich im Feld.

Nach einem geglücktem Start und vielen, vielen Wenden lernen wir dann unseren ärgsten Konkurrenten kennen, die Proxflyer, eine Rote Clubswan mit verdammt schnellen, ebenso in Rot gekleideten Norwegern. Noch im Osloer Hafen hatte man uns vorgewarnt: Mit denen ist nicht zu spaßen. Eigentlich müssten wir mit unserer Störtebeker die Clubswan vergüten, aber bei diesem Amwindskurs, für den die Clubswan optimiert ist, ist kein rankommen.

Stunden um Stunden läuft die Verfolgungsjagt, Wende um Wende wird der Abstand größer, dennoch können wir viel über dieses Gewässer von Proxflyer lernen. Die Manöver werden teils nur wenige Meter unter Land gefahren und nahezu auf der ganzen Länge des Fjords sitzen Menschen am Wasser, grillen, feiern und jubeln uns zu. Was für eine atemberaubende Atmosphäre!

Mittlerweile hat sich das Feld gelichtet und gegen 22:00 Uhr sind wir und Proxflyer allein. Unsere Hoffnung ist, nach der Rundung vom Færder Leuchturm die Stärken unseres wundervollen Raumschotsbombers auszunutzen und am Roten Schiff inklusive Vergütung vorbeizuheizen. Auf einmal fährt in der taghellen norwegischen Nacht ein RIB hinter uns her: Spionage?

Als wir den Leuchtturm runden wird klar, für einen MH0 Tripleheader reicht es, aber nicht für einen Kite, höher, als es Rüdiger lieb wäre, geht unser Traum vom A2, bzw. A1 also nicht in Erfüllung. Immerhin verkürzen wir unseren Abstand zu unserer Nemesis dann doch ein wenig von 3,5 Meilen auf 2,5 NM, das wird nicht reichen und als wir dann beim furlen unseres MH0s eine gewaltige Sanduhr produzieren und das Klarieren dieses Fehlers ungeheuer viel Zeit in Anspruch nimmt wird klar, Proxflyer hat das Duell für sich entschieden.

Von Gram kann allerdings keine Rede sein. Als wir nach 13 Stunden, 37 Minuten und 26 Sekunden die Ziellinie überqueren macht sich das wohlig warme Gefühl von Zufriedenheit breit. Was für ein wundervolles Regattaformat, dieser ewige Sonnenschimmer am Himmel, diese Fjordfelsen und dieser Leuchtturm darauf! Eindrückliche Bilder, die sich in der Erinnerung verfestigen werden, als ein Rennen, das unglaublich viel Freude bereitet hat.

Am sonnigen Nachmittag in Tønsberg lernen wir die in etwa gleichaltrige Crew unseres Antagonisten noch persönlich kennen. Wir tauschen uns aus und bekommen sogar eine technische Spielerei geschenkt, die sie entwickelt haben: Eine Anzeige, die die aktuelle Polarperformance farblich anzeigt. Zum Schluss noch eine Frage: „War das eigentlich euer RIB in der Nacht, das uns auf einmal hinterherspionierte?“ „Nein nein, unserem Medienmann war es lediglich zu langweilig, die ganze Zeit nur uns hinterherzufahren.“ Das glauben wir ihnen einfach mal.

 

P.S: Zu unserer Reise wird am 30. Juni noch ein kleiner Reisebericht in Videoform hochgeladen. Schaut also gerne nochmal vorbei, um euch den Film anzuschauen!