Homeland – Mutti ist die Beste!
Einige Stunden vor Cuxhaven kam der Zeitpunkt des Abschieds. Wir mussten nun tatsächlich Neptun und seinen Gefährten, den vielen Delfinen, Walen, Galeeren und Makrelen Lebewohl sagen. Wir umarmten den Meeresgott und wünschten ihm weiter so gutes Gelingen. Er drückte uns lachend einen fischigen Kuss auf die Nase, baute noch eben die Tide auf mitlaufend um, dann stürmte er davon und wir halt auch. Lange sahen wir uns nach, doch statt mit flattrigen Tempos zu winken zückten wir in der Elbmündung ca. 3 nm vor der Ziellinie lieber respektvoll den großen weißen Gennaker gegen den Mond, der in der Abenddämmerung über den Lichtern von Cuxhaven recht lässig am Himmel hing. Leaving in style, sagt man da wohl. Wir hatten gehört, dass unsere Bratpfanne bereits morgens angekommen und schon weiter nach Hamburg gefahren war, und so planten wir einen steaklosen, aber entspannten Plausch mit der wartenden LATONA-Crew, denen wir ja noch alles vom Start Point-Besuch berichten wollten. Kurz vor Zieldurchgang kam uns schon das Race Committee entgegen, um für ihre Facebook-Profile lustige Fotos unseres atlantischen Make-over zu schießen, und verwiesen dann noch nach einem kalten Bier gefragt auf „nach dem Zieldurchgang“. War ja klar, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Doch was war das? Von einem zweiten Schiff aus grüßte der Rest der AAR-Teams aus gefühlten 40 Kinderkehlen mit ohrenbetäubenden „Papi, Papi, hier sind wir!“-Rufen. Was war denn mit denen los? Wir schauten genau hin: Das war nicht die Rennleitung, sondern die fast vollzählig versammelten Haushaltsvorstände unserer Crew, und sie hatten ihre Mütter mitgebracht! Dass Skipper Heiko Horch auf seiner überfüllten Barkasse TRUDE mit unseren 12 Knoten kaum mitkam, machten die Kinder durch ihr Stimmgewalt wieder wett. Und wir waren ob der eigentlichen Kinderbettgehzeit natürlich vollkommen unvorbereitet. Unsere Gänsehaut verbeulte das gesamte Ölzeug, das jetzt nicht mehr nur dem Meersalz standhielt. Aber das war nebensächlich, und wir genossen diesen unglaublichen Moment. Jeder, der einmal als Siegtorschütze des Fußball-WM-Finales heimgekehrt ist, weiß ja, was wir meinen.
Dann folgte ein Highlight dem anderen. Unter großem Gejubel kreuzten wir nach 17 Tagen, 5 Stunden, 20 Bieren, 80 Delfinen und 64 portugiesischen Galeren die Ziellinie vor Cuxhaven und fielen uns lachend in die Arme. Ein 350 PS Rib, von dem Vin Diesel nur träumen könnte, brachte unseren elften Mann Niko an Bord, der uns lachend beglückwünschte und uns echtes Bier ins Schiff stellte.
Wir machten im Hafen fest, fielen den Familien und der LATONA-Crew in die Arme und schwankten wankend ob des festen Bodens unter den Seebeinen ins Bistro „Wal“ an Land. Der Wirt und sein Team warfen die Küche wieder an und servierten ein absolut sensationelles Steak frisch aus der (Achtung:) Pfanne und frisch gezapftes, kaltes Pils. Als hätten sie unsere Gedanken (oder Bordberichte) gelesen. Später an Bord wurden die großen Heldengeschichten ausgepackt, die wir so lange ja immer nur uns selbst erzählen konnten, was irgendwann ja allen langweilig wird. Dazu gab es hausgemachte Frikadellen „Lola Art“ und Kartoffelsalat
Nach kurzer Nacht stockten wir unsere Crew für den finalen Ritt die Elbe hoch durch den Nachwuchs auf und liefen im Geschwader mit LATONA gen Hamburg, wo das uns begrüßende Feuerlöschboot einen echten Nordatlantik-Squawl nachstellte und uns – nun pudelnass – aufforderte, doch endlich ein paar Handfackeln zu zünden, sie hätten ja gar nichts zum Löschen. Den Gefallen taten wir natürlich gerne, und so liefen wir mit LATONA und den mittlerweile zu uns gesellten Yachten MALIZIA und ISKAREEN in den Sandtorhafen ein. Die eigens zu diesem Event errichtete Elbphilharmonie überzeugte als Kulisse und auch die zahlreichen Schaulustigen, die ja schon dem Bergfest auf dem Atlantik beigewohnt hatten, waren gekommen. „Hello again”, wie Howie sagen würde. “Helloooo, is it me you’re looking for?”, wie Lionel sagen würde.
Es folgten zahllose Stunden im gigantisch organisierten Race Village, in toller Atmosphäre, mit abendfüllenden Gesprächen mit den anderen Crews und Besuchern, wohlverdienten Bieren und viele, viele Partys. Der HVS hatte u.a. das Generationentreffen organisiert, bei dem wir uns mit den Altvorderen der Hamburg VII Crew angeregt austauschen und in einem emotionalen Moment den eigens gestifteten Generationenpreis entgegennehmen konnten, der uns vor gut zwei Jahren das ganze Thema eingebrockt hatte. Alles kulminierte gestern Abend in der Abschlussparty und Preisverleihung, auf der uns überraschend weitere Auszeichnungen zuteilwurden. Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal als Jugendteam Broader View Hamburg für den Jugendpreis der Hansestadt Hamburg qualifizieren würden, den Wirtschaftsenator Frank Horch dem perplexen Skipper feierlich überreichte. Ferner durften wir erfahren, dass wir es irgendwie berechnet am schnellsten zum Lizard Point und damit über den Atlantik geschafft hatten, was vom NRV mit einem tollen Silberteller belohnt wurde. Und schließlich wurden wir dafür geehrt, dass wir unserem Navigator Luki die Peinlichkeit einer vollkommen falschen Zeiteinschätzung ersparen konnten. In einer einzigartigen Teamleistung („arbeiten wie die BroVis“) hatten wir es nämlich geschafft, genau so langsam/schnell/whatever zu sein, dass wir nur exakt vier Stunden nach seiner geschätzten Ankunftszeit durchs Ziel gingen, was unserem strahlenden Taktikgenie die begehrte und wirklich verdiente Navigator’s Trophy und einen weiteren Silberteller einbrachte. Chapeau, Luki, well done!
Was bleibt, ist die Rückkehr in die Zivilisation, mit Fahrzeugen die schneller als 15km/h fahren können und die Suche nach vergessenen PIN-Codes, die Neuorientierung im Supermarkt wo es Nahrung im Überfluss gibt. Wir danken den Vereinen und der Regattaleitung, allen Mitgliedern des Orgateams sowie den anderen Crews und natürlich Neptun für ihren tollen Einsatz. Ihr habt diese Regatta für uns zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen.
Eure Broader View Hamburg-Crew
Felix Christiansen